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Alan P. Stern

Wie machen wir die Welt besser?

Aktualisiert: 3. Dez.


Wir wollen eine andere, eine bessere Welt und fragen danach, wie eine bessere Welt aussehen würde. Aber ist das die richtige Frage? Ich meine: Nein. Und aus diesem Grund führten uns unsere bisherigen Antworten auf den Holzweg.


Menschen in Freude im Park


Was ist eine bessere Welt?


Wenn Sie Ihre Freunde oder Familienangehörigen fragen (sonst bekommen Sie zu viele „politisch korrekte“ Antworten), was sie sich für die Zukunft wünschen, bekommen Sie wahrscheinlich so viele unterschiedliche Antworten, wie Sie Menschen gefragt haben. Das liegt daran, dass die Frage dazu verleiht, eine Wunschliste zu erstellen. Und wie sieht eine typische Wunschliste eines Deutschen aus? Ein gut bezahlter Job, ein Eigenheim mit großem Garten, neues Auto … Sie unterscheidet sich auch nicht von der Wunschliste eines Schweizers oder Österreichers. (Nun, ein Österreicher fügt vielleicht noch ein Kellerregal voller Château Mouton Rothschild hinzu.)


Auf einen einfachen Nenner gebracht: Wir wünschen uns mehr Wohlstand. Damit erwarten wir von der Welt, dass sie uns diesen Wohlstand ermöglicht. Eine bessere Welt ist also eine reichere Welt, angenehm und sorglos. Klar werden sie auch Antworten hören wie: weniger Egoismus, mehr Wohlstand für alle. Wir wissen intuitiv, dass wir nicht nur Ich-bezogene Wünsche haben sollen. Klar wünschen sich alle auch Ruhe und Frieden – sie ermöglichen es, uns über die Annehmlichkeiten zu freuen.


Ich habe nicht vor, diese Wünsche schlechtzumachen. Es waren bereits die Wünsche unserer Eltern und Großeltern. Sie formten unsere Welt. Und auch uns. Die Menschen stellten eben schon immer ihre Wunschlisten auf, wenn sie an die Zukunft dachten. Wunschlisten bringen allerdings zwei große Probleme mit sich: Sie fallen recht unterschiedlich aus und verlängern sich endlos, weil an der Stelle eines befriedigten Wunsches zwei neue entstehen. Sie sind deswegen als Ziel für die Gesellschaft, für die Zivilisation gänzlich ungeeignet.


Wie können wir ein besseres Leben führen?


Eine viel bessere Frage ist: In welcher Welt ließe sich ein besseres Leben führen? Sie zieht automatisch die Folgefrage nach sich, was ein besseres Leben ist. Wenn Sie ernsthaft darüber nachdenken, kommen Sie wahrscheinlich zu der Ansicht, dass besseres Leben ein erfülltes Leben ist. Das ist eine Antwort, auf die sich die meisten einigen könnten – wenn ihre materiellen Grundbedürfnisse befriedigt wurden, natürlich. Beim erfüllten Leben denken wir an Liebe, Wissen, Verständnis, innere Entwicklung, an die menschliche Reife, an das Wachsen als Mensch. Auf die Gesellschaft bezogen kommen uns Frieden, Freundlichkeit, Anstand, Hilfsbereitschaft in den Sinn. Sicher gehören auch Gesundheit, Sicherheit und ein Heim dazu. Aber ein Keller voller Château Mouton Rothschild wahrscheinlich nicht mehr.


Wenn wir nach Idealen suchen, kommen wir erst dann ans Ziel, wenn wir nicht nach einer idealen Welt fragen, sondern darüber nachdenken, was ein ideales Leben ist.

Die Frage nach dem richtigen Leben ist wichtig – es ist vielleicht die wichtigste Frage überhaupt. Wenn wir unseren Weg bewusst gehen und nicht lediglich unsere Wunschlisten abarbeiten, führt uns die Suche nach der besten Antwort ans Ziel, an einen Ort, an dem wir glücklich werden, von dem wir gelassen und mit Wohlbehagen auf den zurückgelegten Pfad und darauf, was uns erwartet, blicken. Kann uns die Frage nach erfülltem Leben zu einer besseren Welt führen?


Leben in einer besseren Welt


Wenn wir unsere Welt – die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Gesamtheit unserer Zivilisation – darauf ausrichten würden, den Menschen darin zu unterstützen, ein erfülltes Leben zu führen, wäre das die beste der möglichen Welten. So viel können wir festhalten.


Das erste Ergebnis solchen Denkens wäre, das Streben nach mehr Zeug und Glitzer als gesellschaftliches Ziel aufzugeben. Das Leben wird nicht durch größere Autos oder schnellere Computer erfüllter. Schon alleine dadurch, dass wir gedanklich akzeptiert hätten, dass die Wirtschaft auch schrumpfen könnte, würde sich unsere Welt diametral ändern. Plötzlich bräuchten wir kein zusätzliches Kapital. Dadurch würde die Krebsgeschwulst der Finanzspekulation zurückweichen. Der Staat hätte seine Abhängigkeit vom globalen Kapital und vom Wohlergehen der Konzerne aufgeben und mit unserem gemeinsamen Geld Sachen finanzieren können, die uns zum besseren Leben verhelfen: intakte Natur, biologische Landwirtschaft oder gute Bildung zum Beispiel.


Unser Wunschzettel-Denken führt uns zwangsläufig zu überflüssigem Konsum, ausgebeuteter Natur und einer aus kommerziellen Beweggründen manipulierten Kultur.

Wir werden diesen Weg sowieso gehen müssen – schließlich leben wir auf einem begrenzten Planeten. Der große Vorteil eines geplanten Abbaus von Zeug und Glitzer wäre, dass wir uns viele Katastrophen, eine Menge Leid und gewaltsamer gesellschaftlicher Umwälzungen erspart hätten. Es würde sich also lohnen. Was ich sagen möchte, ist, dass solche Wege plötzlich möglich, logisch und vernünftig wären, wenn wir unser Wunschzettel-Denken ad acta legten und uns endlich die simple Frage stellten, was ein gutes, erfülltes menschliches Leben ist und wie wir gute Bedingungen dafür schaffen können.


Der Weg zu einer besseren Welt


Der Weg zu einer besseren Welt führt also vor allem durch Umdenken und nicht durch Parteiprogramme und internationale Politik. Wir müssen uns endlich die richtigen Fragen stellen, gemeinsam nach Antworten suchen und sie dann umsetzen. Das ist ein schwieriger, aber notwendiger Schritt in der Geschichte der menschlichen Zivilisation und er soll am besten von den intellektuellen Eliten bewusst und konsequent eingeleitet werden. Die Menschen, die jetzt in dem Hamsterrad des modernen Lebens gefangen sind, brauchen unbequeme Denkanstöße, inspirierende Beispiele, neuartige Ideale. Unsere Welt ist so komplex und (angeblich) so schwer zu durchschauen geworden, dass die Öffentlichkeit niemandem zuhören wird, der die Mainstream-Ökonomie infrage stellt und kein Ökonom ist oder der vor der KI-gesteuerten Entwicklung der gesellschaftlichen Kommunikation warnt und kein Informatikprofessor ist. Deswegen bräuchten wir diese Stimmen aus der Wissenschaft, Academia und Kultur.


Vor der menschlichen Zivilisation steht ein großer, aber notwendiger Schritt: darüber nachzudenken, was ein gutes menschliches Leben ist, und die Zivilisation von der Produktion von Sachen auf die Unterstützung erfüllten Lebens umzustellen.

Aber am meisten brauchen wir wieder unseren gesunden Menschenverstand und die innere Stimme des Gewissens. Heute entscheiden die Spezialisten darüber, was richtig und was gut ist, und bald werden es die Computer übernehmen. Denken Sie darüber nach, welche Welt sich aus diesen Entscheidungen entwickelt hat. Also bleibt uns keine andere Wahl: Wir müssen die Verantwortung dafür, was gut und richtig ist, übernehmen. Wenn etwas das Miteinander in der Gesellschaft gefährdet, das Gute zerstört oder sich falsch anfühlt, dürfen wir es nicht mehr für bare Münze nehmen, auch wenn uns die lautstarken Spezialisten etwas anderes weismachen wollen. Und wenn wegen einer Meinung oder Entscheidung Geld an einige wenige fließt, ist das ein klares Indiz dafür, dass sie nicht gut für uns alle sein wird, egal mit welcher Argumentation und Kommunikationskampagne sie flankiert ist. Um über die wirklich wichtigen Sachen mitzuentscheiden (wie zum Beispiel darüber, was zum guten und erfüllten Leben führt und was nicht), müssen wir jedoch zuerst eine Stimme aufbauen und ein Gegengewicht schaffen.


Eine bessere Welt werden wir nur bekommen, wenn wir sie uns selbst umdenken und aufbauen. Die Zukunft ist basisdemokratisch und selbstverantwortlich oder sie ist düster.

Umdenken bedeutet, Alternativen zuzulassen


Für das Umdenken brauchen wir neue Ideale und neue Vorbilder. Wir müssen gar nicht lang nach ihnen suchen. Die grundsätzlichen Wahrheiten über unser Verhältnis zur Natur haben die indigenen Kulturen für uns aufbewahrt. Über die Kunst eines erfüllten Lebens sprechen uns die über Millennien gereifte Wissenschaft des Yogas oder die Philosophie der Buddhisten Bände. Die alternativen Weltbilder zu unserer konsumistischen Welt warten auf uns sogar in allen Kulturen, auch in unserer eigenen. Auf diesem reichen kulturellen Boden können wir unsere neuen Ideale und Vorbilder wachsen lassen.


Den Weg zu einer besseren Welt finden wir also nur außerhalb des Mainstreams der derzeitigen gesellschaftlichen Kommunikation. Diese wird durch kommerzielle Absichten gelenkt und durch das Wunschzettel-Denken konditioniert. Dahinter stehen die Interessen der Superreichen, die noch reicher, und der Mächtigen, die noch mächtiger werden wollen. Damit liegt eine bessere Zukunft genau in der entgegengesetzten Richtung zu der, in die wir seit Jahrzehnten rennen.


Online-Medien bieten auch eine Plattform für das Umdenken. Hoffentlich kommen die Zivilgesellschaft oder der Staat bald auf die Idee, dafür geschützte Kanäle ohne Werbung zu schaffen.

Diese Richtungsänderung wird jenseits der Mehrheitsmeinung initiiert und damit nicht von den heutigen Parteien oder Regierungen, nicht von der Wirtschaft oder von dem üblichen wissenschaftlichen Betrieb, nicht von den kommerziell geprägten Medien kommen. Wir, Sie und ich, wir, die Zivilgesellschaft, müssen diese Richtungsänderung bewirken.


Alan P. Stern ist ein Systemdenker und praktischer Philosoph. Akademisch in naturwissenschaftlichen wie auch in praktisch-wirtschaftlichen Fächern ausgebildet, arbeitete er als Manager und Unternehmensberater.

Im Jahr 2019 erschien sein Buch „Redesigning Civilization; wie erschaffen wir die westliche Zivilisation neu?“


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